«Hockey sin Glatsch – Viva la Grischa»

Die gebürtige Unterengadinerin Sandra Schmidt spielt ihre zweite Saison für die HC Davos Ladies. Im Gespräch erzählt die 20-Jährige von den Vorzügen in der Hockey verrückten Stadt Davos leben zu können und vom Trainieren und Spielen in der einmaligen Sportanlage. Weiter verrät sie uns, was wir ihrer Meinung nach von Kindern lernen könnten.

Zum Eishockey kam Sandra Schmidt durch ihre beiden älteren Brüder Dario und Linard. Bereits als Dreijährige stand sie mit einem Hockey-Stock auf dem Eis. Ihre Anfänge machte sie beim Club da Hockey Engiadina. Mit dem Wechsel von den HC Thurgau Ladies zu den Davos Ladies erfüllte sich Sandra Schmidt im Sommer 2023 einen Kindheits-Traum.

Einen passenderen Namen hätte man der jungen Frau, welche am 12. Februar 2004 in Sent das Licht der Welt – besser gesagt die Berggipfel des Engadins – erblickte, nicht geben können. Sandra stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie «die Verteidigerin». In Davos spielt sie mit der Rückennummer 3 auf eben dieser Position. Der Name hat noch eine weitere Bedeutung: Er ist eine Kurzform von Sandrina, was übersetzt «Sonnenschein» bedeutet; auch das ein Attribut, welches auf den Familienmensch Sandra Schmidt zutrifft.

Wer in einem malerischen Dorf wie Sent, auf einer solch wunderbar gelegenen Sonnenterrasse 1440 Meter über Meer inmitten von weiten Landwirtschaftsflächen und Wäldern aufwächst, dem wird das wohl schon fast zwangsläufig in die Wiege gelegt. Auf dem Eis kann die Frohnatur das sympathische Lächeln aber durchaus auch mal bei Seite legen und die Ellbogen ausfahren und verbal austeilen. Das zeigt ein Blick in die Statistik: 22 Strafminuten sammelten sich in der Regular Season 2023/24 bei ihr an.

In den Sommermonaten nimmt sich Sandra immer wieder gerne Zeit, um einen Teil ihrer Ferien im Elternhaus zu verbringen, welches sie letztes Jahr zugunsten des Abenteuer «HC Davos» verlassen hat. Nicht fehlen darf dabei ihr Golden Retriever. Mit Nelly streift sie gerne über die Feldwege und durch die Gassen, vorbei an den mit «Sgraffito»-Ornamenten – so nennt sich das Kunsthandwerk/eine Kratztechnik, welche die Engadinerhäuser zieren und zum unverwechselbaren Charme des Dorfbildes beitragen. In solchen Momenten kann sie abschalten, mal an etwas anderes als an Eishockey denken und frische Energie für anstehende Aufgaben tanken. Es ist die typische Bündner Art, das Leben zu Entschleunigen. «Patgific» – die Kunst des Geniessens.

Wie eigentlich alle Frauen im Schweizer Eishockey, kann auch sie nicht vom Sport allein leben. Sie arbeitet in einem 90%-Pensum als Kleinkindererzieherin in Davos. Wie die 20-Jährige Sport und Beruf unter einen Hut bringt und wie wichtig ihrer Familie der Erhalt des Rätoromanischen ist, erfahrt ihr unter anderem im nachfolgenden Interview.

Seit etwas mehr als einem Jahr ist dein Lebensmittelpunkt nun in der Alpenmetropole; «Davos schön isch». Wie hast du das neue Kapitel, die erste Saison in blau-gelb mit resultatmässigen Hochs und Tiefs erlebt?
Im Grossen und Ganzen war es eine schöne Saison, vieles habe ich positiv erlebt. Dass spielerisch nicht alles rund lief, war auf der einen Seite klar enttäuschend. Man darf aber nicht vergessen, dass das Projekt HCD Ladies doch eher kurzfristig entstanden ist und etwas Zeit braucht, um zu reifen. Trotzdem finde ich, dass wir uns als Team schnell gefunden haben und alle füreinander gegangen sind.

Nun hast du das Privileg Wohnung, Arbeitsplatz und Trainingshalle im Umkreis von wenigen 100 Metern zu haben. Wie wirkt sich dies auf deinen Alltag aus?
Das macht schon alles viel entspannter und das weiss ich auch sehr zu schätzen. Obschon wir wesentlich mehr trainieren als in den Jahren zuvor, habe ich deutlich mehr Zeit für mich, um andere Dinge zu erledigen. Es lebt sich so schon viel spontaner, als wenn man jede Minute verplanen muss. Die Ausrüstung kann fix in der Halle bleiben, so vergisst man auch nichts Wichtiges.

In Davos lebst du zusammen mit deiner Teamkollegin Ladina Staub in einer WG. Wer von euch kocht besser? Und gibt es auch Bündner Spezialitäten?
Wer besser kocht, kann ich so nicht sagen. Wir haben beide unsere Dinge, die wir gut können und wechseln uns, wenn möglich regelmässig ab. Wer nicht kocht, macht dafür danach die Küche sauber und umgekehrt. Wir sind da recht locker unterwegs. So richtige Bündner Spezialitäten machen wir eher weniger, uns ist es jedoch wichtig, dass es am Abend eine warme Speise gibt.

Welches sind deine persönlichen Lieblingsplätze in der höchstgelegenen Stadt Europas?
In den Sommermonaten mag ich es, in der Natur unterwegs zu sein und Zeit am wunderschönen Davoser See zu verbringen. Sonst einen Lieblingsort habe ich nicht im Speziellen, da ich die meiste Zeit auf dem Eis oder zuhause verbringe.

Im Rahmen des traditionsträchtigen Spengler Cup habt ihr am 30. Dezember 2023 ein Qualifikationsspiel gegen die HC Ambri-Piotta Girls gespielt. Wie hast du dieses spezielle Ereignis vor damaliger Rekordkulisse (1605 Zuschauende) an einem Frauen-Eishockeyspeil auf Schweizer Boden in Erinnerung?
Es war eine super Erfahrung und ich bin dem Klub sehr dankbar, dass sie uns die Möglichkeit gaben, dies zu erleben. Auch wenn wir das Spiel gegen Ambri leider verloren haben. Auf den Rängen waren so viele bekannte Gesichter zu sehen, das erfüllte mich schon mit Stolz. Ich war schon lange nicht mehr so nervös vor einem Spiel, wie an diesem Tag! Denn man will ja schliesslich all den anwesenden Leuten zeigen, dass man es kann. Die Intensität war bei beiden Teams höher als bei einem normalen Quali-Spiel.

In der abgelaufenen Spielzeit ist euer Team in den letzten Qualifikationsrunden vom vierten auf den fünften Tabellenplatz zurückgefallen und hat somit die erstmalige Playoff-Teilnahme der Clubgeschichte verpasst. Wo siehst du die Gründe?
Nach einer intensiven Qualifikation mit vielen Spielen, waren wir alle etwas müde – nicht nur körperlich, sondern auch im Kopf. Dadurch kamen wir in den entscheidenden Momenten auf dem Feld oft den berühmten Schritt zu spät. Eventuell wägten wir uns zu früh in einer falschen Sicherheit, da wir in den letzten Spielen noch auf vermeintlich «einfachere» Gegner trafen. Eines der Hauptmankos war, dass wir in dieser entscheidenden Phase, wie bereits während der ganzen Saison, insgesamt zu wenig Tore schiessen konnten.

Anfangs 2024 bist du an einer schweren Lungenentzündung erkrankt und musstest dich sogar im Spital behandeln lassen. Spürst du körperlich noch Nachwehen von dieser Erkrankung?
Von der Lungenentzündung habe ich mich so weit so gut erholt. Bei den Kontrollen stellte sich jedoch heraus, dass ich an schwachem Asthma leide. Danach kamen leider noch Probleme mit der Hüfte dazu. Diese Zwangen mich dazu, einen Gang zurückzuschalten.

Du hast eine Ausbildung zur Kleinkindererzieherin absolviert und arbeitest nebst dem Eishockey in einem 90%-Pensum auf diesem Beruf. Was gefällt dir an dieser Arbeit besonders?
Mir gefällt diese Arbeit sehr, denn Kinder sind einfach, wie sie sind – immer ehrlich. Es interessiert sie nicht gross, was andere von ihnen denken. Auch wenn man mal nicht so gut gelaunt ist, schenken sie einem immer ein Lächeln. Es ist auch schön zu sehen, wie sich die Kinder über einen gewissen Zeitraum entwickeln.

Gibt es Dinge, welche du von den Kindern die du betreust, lernen und auf’s Hockey übertragen kannst?
Wir könnten von ihnen lernen, wie man einfach kommuniziert. Da sind wir Erwachsenen oft zu kompliziert unterwegs. Auch im Umgang miteinander sollten wir vermehrt versuchen von den jeweiligen Stärken des Gegenübers zu profitieren, anstatt Fehler zu suchen und auf diesen rumzuhacken.

Die Verantwortlichen der HC Davos Ladies haben sich dazu entschieden über den Sommer auf Zyklusorientiertes Training mit Fokus auf Ausdauer zu legen. Wie hast du das erlebt?
Bei dieser Art von Training gab es verschiedene Gruppen, da spielte die Art der jeweiligen Verhütungsform eine Rolle. Ich selbst kann dazu nicht viel sagen, habe aber von anderen Spielerinnen sehr positive Rückmeldungen gehört. Ich finde es super, dass der Klub dieses Thema aufgegriffen und uns diese Möglichkeit geboten hat.

Im Januar 2024 startete in Amerika die PWHL. Verfolgst du die Spiele in dieser Liga?
Ich habe meinen Fokus eigentlich schon auf der Schweizer Liga. Die Highlight-Videos auf «YouTube» habe ich zwischendurch schon verfolgt. Aber klar, das Niveau drüben ist schon noch mal etwas anderes. Aber auch wir in der Schweiz sind auf einem guten Weg. Es hat sich in den letzten Jahren sehr viel weiterentwickelt. In Davos profitieren wir von einer idealen Infrastruktur und super Coachs in allen Bereichen!

Gibt es jemanden, den/die du als dein Vorbild siehst?
Nebst meinen Brüdern waren die Bündner Andres Ambühl und Enzo Corvi immer meine Vorbilder. Es ist unglaublich, dass «Büehli» mittlerweile die 25. Profi-Saison spielt und trotz 41 Jahren auf dem Buckel all die Strapazen immer noch auf sich nehmen will und kann – schlicht eine lebende Legende!

Im letzten Winter bist du im Rätoromanischen Fernseher «Radiotelevisiun Svizra Rumantscha» im Rahmen des «Engadiner Derby» EHC San Murezzan gegen Cdh Engiadina – bei welchem einer deiner Brüder spielt –im Einsatz gestanden und hast auf Rätoromanisch kommentiert. Wie wichtig ist dir der Erhalt der vierten Schweizer Landessprache?
Bei uns in der Familie legen da schon noch viel Wert drauf, dass die Sprache nicht ganz verloren geht. Zuhause unterhalten wir uns so gut wie immer auf Rätoromanisch. Wir sind halt alle so aufgewachsen und es war auch die Sprache an der Schule. Erstaunlicherweise motze ich auf dem Eis fast nie auf romanisch, obschon es den Vorteil hätte, dass es niemand verstehen würde. (lacht)

Du hast hinter dem Mikrofon sehr souverän gewirkt, als ob du dies regelmässig machen würdest. Kannst du dir vorstellen später einmal vermehrt im Fernseher zu arbeiten?
Ich habe bereits eine weitere Anfrage erhalten, um eine Tour-de-Suisse-Etappe, die durchs Engadin führt zu kommentieren. Für diesen Event habe ich auch zugesagt. Ich rede schon gern, bin aber manchmal auch ein bisschen tollpatschig unterwegs und spreche oft, bevor ich denke. Das ist nicht immer nur ein Vorteil. Gelegentlich mache ich es gerne, aber auf Dauer möchte ich nicht unbedingt auf diese Weise im Mittelpunkt stehen.

Was würdest du als deine grösste Stärke bezeichnen?
Ich denke, dass ich über ein recht grosses Durchsetzungsvermögen verfüge und diszipliniert unterwegs bin. Wenn ich etwas will, dann mach ich das auch. Andere würden vielleicht sagen: «ä stuure Chopf!». (lacht) Des Weiteren bin ich auch fast immer gut gelaunt.

Welche Sportarten betreibst du nebst dem Eishockey?
Jetzt über den Sommer war ich viel auf dem Mountain Bike und in den Bergen am Wandern. Im Sommer helfe ich zudem meinen Eltern auf dem Hof und beim Heuen. Das ist zwar nicht in dem Sinn ein Sport, aber es wirkt sich bestimmt auch positiv auf meine Fitness aus.

Petteri Nummelin, Mitglied der IIHF Hall of Fame, spielte einst (1997 bis 2000) mit der Rückennummer 3 für den HCD. Nun trägst du diese Nummer, was für eine Geschichte steckt dahinter?
Es gibt eigentlich keine grosse Geschichte dazu. Ich hatte schon von klein auf immer die 3. Die 12 hätte ich mir auch noch vorstellen können, da es mein Geburtstag ist. Diese Nummer hatte aber bereits einer meiner Brüder und der andere hatte die 21, deshalb wollte ich nicht unbedingt die gleiche Nummer haben. Ich sage auch oft alle gute Dinge sind drei und in unserer Familie bin ich das dritte Kind.


Text/Bilder: Samuel Stähli